Der Salon-Antisemitismus ist gefährlicher als die Springerstiefel auf der Straße

Das vernünftigste was ich zum Antismenitismusvorwurf gegen Augstein gelesen habe steht in einem Interview auf Cicero-online

Dort wird nämlich die Frage gestellt: Was macht eine Äußerung antisemitisch?

Es geht immer darum: Was sagt wer, wann, vor welchem Hintergrund, mit welcher Absicht? Ist es Indifferenz, Unkenntnis, oder tatsächlich Absicht?


An diesem Maßstab wertet Broder wohl zwischenzeitlich selbst seine Äußerungen, die er in einigen Punkten auch für diffamierend hält.

Mir scheint er habe mit seinem Text Dampf aus dem Wutkessel gelassen. Nun reicht Clemens Wergin in der Welt die sachlichere Argumentation nach. Er macht es sehr sachlich und mittelbar, dies Schwert trifft viel schärfer, aber niemand will soetwas lesen. Broder in Wut bekommt Aufmerksamkeit, ein sachlicher Artikel rauscht vorbei.

Also alles Taktik? Ein Wutartikel zum lostreten der Debatte?
Vielleicht, aber wohl auch notwendig. Die Artikel öffnen die Augen für den Salon-Antisemitismus. Der ist viel gefährlicher, als der Antisemitismus rechter Schläger. Dieser Salon-Antisemitismus macht Broder Angst, weil er von den intellektuell und gesellschaftlich Mächtigen kommt, nicht von den Dumpfen, bei denen man den Köpfen schon von außen den Inhalt ansieht.

Vor diesem Hintergrund frage ich mich, ob Broder seine Entschuldigung auch formulierte weil Augstein vielleicht mit Klage drohte? Wenn das der Fall ist, dann ist der Punkt erreicht, an dem Broders Angst konkret und berechtigt erscheint. Allein schon der Gedanke, dass es so sein könnte macht mir Angst.

Der wohl dümmste Artikel zum Thema steht in Augsteins eigenem Freitag, letztlich zeigt er das Problem, vor dem Broder Angst hat. Eine scheinbar intellektuelle Führungsschicht, die den Blick auf die Realität durch ihre eigene Weltsicht ersetzt, und die Macht hat sie als Maßstab für die Gesellschaft zu setzen.

Der Text im Freitag ist ein solcher scheinintellektueller Text. Er gebraucht zwanghaft Formulierungen, die Bildung simulieren, wo nur ein unverstandener Zitatenschtz vorliegt.

Wahrlich, ich sage mir, … Vielleicht hat Henryk M. Broder einfach nocht nicht väterlich wahrgenommen, dass Jakob Augstein, Jahrgang 1967, selbst schon Vater, zu den Nachgeborenen zählt, die alle Rechte haben, das Erbe der Welt, auf kluge Weise hier, auf weniger kluge Weise da, sich ausprobierend, urteilsfreudig, neu zu erwerben, um es zu besitzen.

Müssen uns solche Schwätzer wirklich etwas über die Welt erzählen? Wenn solche Leute aus Formulierungslust die Welt erklären, wenn sie versuchen dem Leser die Probleme der Welt zu vermitteln, wenn die als ernsthafte Journalisten durchgehen … .
Der Freitag-Artikel ist auf andere Weise wichtig: Er zeigt die ganze Kümmerlichkeit dieser Schein-Intellektuellen.

Was wird im ober erwähnten Cicerointerview gesagt sei antisemitisch?

… wenn die Politik der israelischen Regierung oder das Vorgehen des israelischen Militärs im Gaza-Streifen mit dem Holocaust gleichgesetzt werden und damit eine Täter-Opfer-Umkehr erfolgt. Oder wenn gesagt wird: Israel ist die einzige Bedrohung für den Weltfrieden.

Jeder mag selber werten ob Broder Recht hat oder nur Wut.

Interssant in der Taz und nochmal taz.
Und nochmal Cicero. Man sollte an ein Abo denken. Es scheint das ist ein gutes Blatt