Die Lampedusa-Falle

Die Europäische Union baut umfangreiche und technisch hochgerüstete Systeme zur Überwachung ihrer Grenzen auf. Was soll bewirkt werden? Grenzsicherung, was immer das sein mag. Mindestens Kontrolle über unerlaubte und unerwünschte Grenzübertritte. Das mag an der polnischen Ostgrenze funktionieren, im Mittelmeer könnte es eher zu einem Problem werden.

Wenn EuroSur und Frontex voll ausgebaut und einsatzbereit sind, dann wird im Mittelmeer die Kontrolle lückenlos sein.

EuroSur wird jedes Boot, jede Luftmatratze erkennen, Frontex-Kräfte werden sie in kurzer Zeit erreichen können, oder wissen, wer sie kurzfristig erreichen kann.

Und genau da beginnt das Problem, an dem Punkt passt die Grenzüberwachung perfekt in das Geschäftskonzept von gewissenlosen Schleppern.


Was kann Frontex tun, wenn sie ein Flüchtlingsschiff aufspüren? Sie können ihm die Weiterfahrt verbieten, sie können es daran hindern, einen europäischen Hafen zu erreichen. Lassen wir die Frage des „wie?“ einmal offen. Waffengewalt scheidet aus rechtlichen und moralischen Gründen wohl aus. Aber so würde ein gewissenloser Schlepper es auch nicht versuchen. Er würde die offene moralische Flanke Europas nutzen.
Für Frontex, für alle Seefahrer gilt der Satz: Menschen in Seenot muss geholfen werden.
Gilt der Satz wirklich? Italien scheint ein Gesetz zu haben, das einen Unterschied macht. Einen Unterschied zwischen denen, die in Seenot geraten sind und denen, die sich in Seenot bringen, um über ihre Rettung aus Seenot nach Europa, in die EU, zu kommen. Diese Unterscheidung werden aber weder Iralien noch die EU durchhalten. Schlagzeilen, wie die oben verlinkte: „Kapitäne machen sich der Beihilfe zur „illegalen Einwanderung“ schuldig. Bislang sind 213 Leichen geborgen.“ solche Schlagzeilen hält Europa nicht aus, das ist nicht vermittelbar. Die Folge: EuroSur wird Flüchtlingsboote entdecken, Frontex wird die Schiffbrüchigen retten, die Flüchtlinge landen in Lampedusa oder sonst wo in Europa. Ziel erreicht.

Wie kann also das Geschäftsmodell „Afrikanische Flüchtlinge nach Europa“ wirtschaftlich organisiert werden? Ganz einfach:
Es braucht ein altes, defektes, vor allem billiges Schiff für 200 Personen, man setzt 500 Flüchtlinge auf das Schiff, fahre es in Richtung Europa und bringe es im Einflussbereich von EuroSur und Frontex in Seenot. Die meisten Flüchtlinge werden gerettet. Die meisten Flüchtlinge kommen nach Europa. Ziel erreicht.
Was ist das Wichtigste bei dieser Aktion? Die „Verlustquote“ muss stimmen. Es müssen genug Flüchtlinge sterben, um in Europa Aufmerksamkeit und Empörung aufrecht zu erhalten. Der moralische Druck sollte mit rund fünf Prozent Schwund, also rund 25 Toten pro Schiff, ausreichen, um den Skandal in Europa nicht zu schnell in Vergessenheit geraten zu lassen. Fünf Prozent Verlust sind aber zu wenig, um die Kunden, die zahlenden Flüchtlinge, abzuschrecken.

Natürlich wird jetzt jeder sagen, so könne man doch nicht handeln, nicht einmal denken. Menschenleben für den Profit gezielt opfern, um den eigenen Gewinn zu maximieren!
Ich bin sicher, es gibt genug Leute die können. Leider.

Im Grunde könnte damit, jedenfalls auf See, jede Grenzsicherung ausgehebelt, geradezu in ihr Gegenteil verkehrt werden. Eine Zwickmühle für die EU.