Vom Salon-Antisemien zum Voll-Antisemiten – Ein Making Of

Das Wichtigste zuerst, der Salon-Antisemit versteht sich nicht als Antisemit, denn er weis: Antisemitismus ist gesellschaftlich tabu. Der Salon-Antisemit ist also nach seinem Verständnis keiner. Um dies zu verdeutlichen ist er ein Freund Israels. Er mag „Die Juden“.

Freunde sind ehrlich miteinander, Freunde sagen sich was sie denken, Freunde sagen sich die Wahrheit. Auch eine kritische Wahrheit, auch eine Wahrheit, die verletzen könnte.
Freunde sagen sich solche Wahrheiten nicht, um den anderen zu verletzen, sondern um ihm zu helfen, aus Solidarität, gut gemeint.

Soweit so gut. Ein Problem entsteht, wenn der geschätzte Freund vielleicht eher Verkörperung eines Ideals, ein Symbol der eigenen Schuld und Verantwortung ist. Ein Problem entsteht wenn der Freund nicht Teil einer Wechselbeziehung ist, sondern sich eher als eine enttäuschte Liebe zeigt. Ein Problem entsteht, wenn der Freund die Anerkennung verweigert, schlimmer noch, wenn er die Wahrheit, die man ihm gut gemeint sagt, nicht als Wahrheit erkennt, sondern sie als gemeine Lüge, als beleidigende Unterstellung zurück weist.

Dann kommen noch Freunde des Freundes, auch solche, die man für die eigenen hielt, und stimmen nicht dem freundschaftlichen Ratgeber, sondern dem kritisierten, Freund zu. Zu allem Überfluss kommen sie auch noch mit gut gemeinter Kritik daher. Erzählen eine andere Wahrheit über den Freund und den über den freundschaftlichen Kritiker.

Ja, so schnell wird aus dem Freund ein ehemaliger Freund. Aber einem ehemaligen Freund gegenüber kann man nicht neutral sein. Ein ehemaliger Freund wird zum Gegner, er hat verletzt, weil er nicht gehört hat, nicht verstehen will. Die Freunde des Freundes haben den Gutmenschen isoliert, sich distanziert, man hat Freunde verloren.

Wo vorher keine Beziehung, sondern schlicht ein einseitiges überlegenes Gefühl war, ein Gefühl der moralischen Pflichterfüllung, da ist jetzt eine Beziehung. Eine klammheimliche Feindschaft.

Ich bin gespannt, wie Jakob Augstein dem Dilemma entkommt, oder auch nicht.

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