Bremen – Deutschland im Kleinen

Die deutsche Situation spiegelt sich in Bremen. 

Es gehen nur rund 50% der Bürger zur Wahl. Die Regierenden verlieren massiv Stimmen, aber das ändert nichts. Hätte sich die Koalition geändert, hätte sich wohl auch nichts geändert. 

Das Wahlrecht ist kompliziert, es stehen nicht genug Auszähler zur Verfügung. Die Auszählung wird durch ein Stromausfall behindert. – Das vorläufige amtliche Endergebnis wird wohl Mittwoch feststehen. 

Im Spiegel-online Artikel zum Wahlergebnis wird die niedrige Wahlbeteiligung nicht einmal erwähnt, Dafür aber, dass die SPD Generalsekretärin Fahimi sich am Nachmittag zur Wahl äußern will. 

Absurdistan. Aber alle beteiligten Schauspieler der Demokratie finden es ganz normal. 

Gleichzeitig, auf der Startseite der Frankfurter Rundschau: 

Legalisierung von Cannabis – das Thema hat am Samstag mehr Menschen als in den Vorjahren auf die Straße gelockt: „Bier macht dick, Schnaps macht krank, ich bin Kiffer, Gott sei Dank.“ 

Die mehr Menschen als in den Vorjahren waren ganze 600 Demonstraten. Gleich danach Meldungen zur Präsitentschaftswahl in Polen und die Schlagzeile „Mazedonien am Abgrund“ (In dem europäischen Land droht ein Bürgerkrieg).

Absurdistan …

Kanzlerduell. Es kam, wie es kommen musste.

Es wurde als großes mediales Ereignis aufgebaut.
Die einen zeigten zur Einstimmung politische Dumpfbacken, weil sie das immer tun, die anderen Gunther Jauch mit seiner Weichspülrethorik, weil sie das auch immer tun, diesmal mit dramatisch inszenierter Stoppuhr im Hintergrund. Ich wollte schon den Sekt holen, damit ich um Mitternacht anstoßen kann.

Dann ging es los. Irgendwie hatte ich jetzt die Eurovisionsfanfare erwartet, wurde aber enttäuscht.
Bei der Enttäuschung, blieb es dann auch.

Nein eigentlich waren nicht die Kandidaten daran schuld. Steinbrück, wie immer rhetorisch gut, witzig, charmant, intelligent, aber letztlich inhaltsarm und floskelreich.
Ja, ich kann mir Steinbrück in der Rolle als Bundeskanzler vorstellen. In der Funktion weniger.
Eher kann ich mir Merkel in der Funktion als Bundeskanzler weiterhin vorstellen. Sie ist der Typ der tapfer entschlossen werkelt aber dabei schwunglos und etwas bieder wirkt. Die Rolle des strahlenden und starken „Hier bin ick, jetzt könnt ihr mir genießen“-Typs, die klaut ihr der Steinbrück.

Das wussten wir vorher, so sind die beiden. Das hätte auch die versammelte Talkshow-Moderatoren- und Nachrichten-Wiedergeber-Elite der angetretenen Qualitätsjournalisten ahnen können. Sie hatten die Chance aus dem herauszukommen, was wir von den Kandidaten schon wussten. Sie hatten die Chance nicht altbekannte Ausschnitte aus dem gefälligem Wahlkampfsprech ab zu rufen, sondern Themen zu setzen. Sie hatten die Chance durch Fragen nach der Substanz des Gesagten in der Überzeugung der Kandidaten zu suchen.

Mich hätte z. B. interessiert, was die immer von allen beschworene „soziale Gerechtigkeit“ eigentlich ist. Ich hätte gerne gewusst, ob die Kandidaten wissen, was in einem Jobcenter wirklich passiert, wie hier durch Seelenlosigkeit und Verwaltungsdenken der Mensch entwürdigt wird.

Nein, das Kanzlerduell war eine verschenkte Chance.
Die Elitejournalisten haben brav die tagesaktuellen, immer gleichen Themen abgefragt und die tagesaktuellen immer gleichen Antworten erhalten. Es wurden keine Themen gesetzt, es wurde nicht der Mensch gezeigt, sondern der Kandidat.
Das war ein Vorteil für Steinbrück, der seine Rolle gut spielt, ein Nachteil für Merkel, die ab und an menschlich wirkte.

Was in Erinnerung bleiben wird ist Merkels Halskette. Die Deutschlandkette ist geboren.
Sagt das nicht schon alles über das Duell?