Irritieren Sie mich nicht durch Tatsachen!

„Bild“ stürzte Wulff mit einer Falschmeldung. Das kümmert aber keinen.
Christian Wulff musste aufgrund einer Falschmeldung der „Bild“-Zeitung als Bundespräsident zurücktreten. Es ist erstaunlich, wie wenig das bekannt ist und wie wenig das die Leute zu stören scheint.

Auch in einer Pressekampagne ist eben die Wahrheit das erste Opfer.
Es gilt: Irritieren Sie mich nicht durch Tatsachen, ich habe meine eigene Meinung.

Pflichtlektüre zum Fall Wulff von Stefan Niggemeier

Der damalige niedersächsische Justizminister Busemann erklärte, er sei an der Entscheidung über den Antrag auf Immunitätsaufhebung nicht beteiligt gewesen und habe auch keinerlei Weisungen an die Staatsanwaltschaft gegeben, er habe den Antrag aber letztlich unterschrieben.

Da fragt sich der Leser schon wofür es eine Unterschrift des Ministers brauchte? Es zeigt sich bis in die obersten Etagen der Verwaltung, dass sie sich als Rädchen im Getriebe sehen, das nicht selbst denken und entscheiden kann, das ja Vorgaben und Notwendigkeiten folgen muss.
Ich sag es.immer wieder: Das Bruder-Eichmann-Syndrom ist in Deutschland allgegenwärtig.

Es genügt, das Falsche, das man tut, lediglich zu akzeptieren und nicht auch persönlich zu wollen, um schuldig zu werden.

Mehr zu Wulff im Blog

Es ist zum Heulen, zum Heulen über die eigene persönliche Mutlosigkeit

Gerade habe ich im Blog von Stefan Niggemeier über das Fernsehen einen resignativen Blogbeitrag gelesen.

Die traurigste Stelle ist diese:

Und dann sitzt da die Produzentin Katja Herzog und sagt über ausländisches Fernsehen:

Ich bin 38, ich möchte Filme machen oder auch Serien, und mein Zuschauer, unser Zuschauer, ist eben gute 60 Jahre alt. Das heißt im Prinzip: Ich muss meinen Eltern Geschichten erzählen. Das bringt mich auch als Macher in eine gewisse Schizophrenie, weil ich ja abends nach Hause gehe, und mir Dinge anschaue, die ich liebe und von denen ich lerne und die ich auch gerne analyisere, aber am Morgen sozusagen in mein Büro marschiere und weiß, das ich das alles hinter mir lassen muss, weil: Nichts von dem, was ich toll finde, kann ich wirklich unterbringen, in dem Rahmen, der mir momentan gesteckt ist.

Ist das nicht zum Heulen?

Ja, das ist zum Heulen, denn die heute 60-Jährigen waren doch in derselben Situation als sie dreißig Jahre jünger waren. Nur war die Reaktion nicht Anpassung, Resignation, sondern Rebellion.

Bei den Fernsehmachern, aber nicht nur bei denen, zeigt sich dasselbe Problem, wie an anderen Stellen in unserer Gesellschaft auch:
Blos keine Verantwortung übernehmen und danach entscheiden was man selbst für gut und richtig hält, sondern immer nur fragen passt alles in das offizielle Weltbild, ist alles „objektiv richtig“ und akzeptiert? Befinde ich mich im gesellschaftlichen Konsens?

Das Ergebnis dieses Handelns sind dann farblose Personen die in einer virtuellen Welt leben, die nichts mehr von den verstehen was die Menschen „draußen“ denken und fühlen.

Flachheit, Stromlinienförmigkeit, Langeweile und Korrektheit entstehen, wenn man nicht tut was man will, sondern was man meint tun zu müssen, dann sind Langeweile, Unzufriedenheit, schlicht schlechter Journalismus das notwendige Ergebnis.

Dieses Handeln erzeugt auch das, was eigentlich vermieden werden soll, Leute die sehr persönliche, oft sehr steile Thesen formulieren, die aber genau das Verdrängte, das Ungesagte überdeutlich aussprechen.

Sofort kommt dann der Reflex Protagonisten wie Sarrazin und Pirinçci, die genau diese Rolle des Provokateurs übernehmen, auszugrenzen, zu dämonisieren und deren Thesen ebenso zu vereinfachen, zu verzerren, wie man es ihnen vorwirft, dass sie es tun.

Sehr viel klüger wäre es sich zu fragen, was in dem was sie sagen vielleicht richtig ist. Warum finden ihre Ansichten ein so breites Interesse? Warum finden sehr viele Menschen (ein Bestseller bei Amazon ist keine Randgruppe), dass hier endlich gesagt wird, was man „ja sonst nicht sagen darf“?

Sind das alles „Rechte“, „Verwirrte“, „Faschisten“, „Dummköpfe“? Oder formulieren die Provokateure einfach nur einen Kern von Wahrheit in ihrem ganzen Geschwurbel, den sonst niemand mehr formuliert, weil die institutionalisierten Journalisten eben nicht schreiben und sagen was sie wollen, sondern was sie meinen sagen zu sollen.

Desto breiter die Fläche, desto steilen die Kanten. Das ist wie bei Tafelbergen.

Ein weiterer trauriger Aspekt ist, dass die junge Frau Leute ab 60 offenbar flächendeckend für prädement und für neue Ideen völlig unzugänglich hält. Ich glaube sie irrt. Vielleicht hätte sie mehr Erfolg, wenn sie begriffe, dass Altere von den Jungen durchaus erwarten, dass sie unsere Gesellschaft weiter entwickeln.

Da hat der Seehofer einfach Recht, er weis es nur nicht.

Marietta Slomka im „heute journal“ tat, was ich von einem guten Journalisten erwarte: Sie stellte einem Politiker kritische Fragen, provozierte milde und hakte nach. Sie hat nicht nur brav abgefragt, was wir schon hundertmal gehört haben, sie hat kritische Fragen gestellt, Gabriel mit einem Vorwurf konfrontiert, hartnäckig. Gabriel war davon sichtbar überrascht. Alleine das sagt viel über den deutschen Journalismus.
Herr Seehofer wird daraufhin vom Spiegel zitiert:

„Dass die SPD ihre Parteibasis über den Koalitionsvertrag abstimmen lasse, sei „sehr verständlich und logisch“. Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, dieses Vorgehen mit verfassungsrechtlichen Bedenken in Verbindung zu bringen.
In der CSU würden rund hundert Leute über den Koalitionsvertrag entscheiden – der CSU-Vorstand tagte am Freitag zusammen mit der CSU-Landesgruppe und segnete am Abend das Abkommen ab. Bei der CDU würde ein kleiner Parteitag über das Dokument entscheiden, so Seehofer: „Wenn ein Mitgliederentscheid verfassungswidrig ist, dann sind es unsere Veranstaltungen gleich doppelt und dreifach“, sagte der CSU-Chef.“

Richtig Herr Seehofer! Im Grunde haben Sie Recht.
Eigentlich müssten die Fraktionen solche Verhandlungen führen, nicht die Parteien. Die Abgeordneten entscheiden, nicht die Parteien. Das dies niemand mehr merkt, zeigt wie weit wir uns von manchen Grundzügen der parlamentarischen Demokratie entfernt haben.

Die Parteien wirken an der politischen Willensbildung mit, aber entscheiden tun nur die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Sie sind nicht an Weisungen gebunden und nur ihrem Gewissen verantwortlich. Aber auch die Abgeordneten haben das längst vergessen. Besonders die, die mit einem Listenplatz ins Parlament gekommen sind, die fühlen sich ihrer Partei verantwortlich, aber ganz sicher nicht irgendeinem Gewissen, was immer das sein mag.

Demokratie geht anders.

Am Rande: Die CSU ist dabei eigentlich die demokratischere der Parteien, denn wie sagt Seehofer: “ … der CSU-Vorstand tagte am Freitag zusammen mit der CSU-Landesgruppe und segnete am Abend das Abkommen ab.“ Dort sind es also die Abgeordneten und der Vorstand die entscheiden.

HuffPo Schland

Aufregung unter Journalisten. Die „Deutsche Huffington Post“ ist online.
Stelvertretend zwei Zitate von Stefan Niggemeier:

… Die Seite sieht so aus, weil ihre Verantwortlichen wissen, dass genau diese überladene, bewegte, bunte, großbuchstabige Überforderung dafür sorgt, am meisten Aufmerksamkeit und Klicks zu generieren.

Im Inneren lärmt es genau so weiter. Jeder Pups wird zu einer dröhnend stinkenden Riesenflatulenz aufgeblasen.
Das kann man natürlich alles machen, das ist auch nicht der Sargnagel im deutschen Journalismus. Ich glaube nur, dass der hiesigen Medienlandschaft kaum etwas weniger gefehlt hat als eine solche Windmaschine. Es spricht viel dafür, dass die deutsche »Huffington Post«, wie ihr amerikanisches Vorbild, für Menschen, die guten Journalismus und einzigartige Inhalte suchen, ein eher unwirtlicher Ort wird.

Der Mann hat wahrscheinlich Recht, nur warum regt das die Branche so auf?
Genau das was in der „Deutschen Huffington Post“ passiert ist das Geschäftsmodell, das schon lange bei Wikipedia für das Original beschrieben wird.

Ein Großteil der Beiträge wird von unbezahlten freiwilligen Autoren verfasst. Sie verweisen nahezu ausschließlich auf Berichte anderer Medien und bereiten diese für eine Leserschaft auf, die weniger an Hintergründen als an kurzen Zusammenfassungen mit meinungsstarker Bewertung interessiert ist

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Merke, ein Angebot für User die eigentlich keine Information wollen, sondern Augetegtheit. Kurz gesagt, „Bild“ mit den Mitteln des Internet, verbunden mit von den Usern erstellten Inhalten. Auch das nicht wirklich neu. Bei Google scheint es mir ein Ziel, bei Anderen das offensichtliche Prinzip:
Yahoo!clever, Gute Frage Net als zwei Beispiele.
Mir stellt sich die Frage ob da jemand Angst hat, dass dieses Prinzip funktioniert. Die meisten Autoren der Blogbeiträge, und die sollen wohl das Rückgrad bilden, werden nach dem Prinzip Aufmerksamkeit, einmal bekannt sein, wahrgenommen werden entlohnt, nicht aber mit Geld.

Wenn das funktioniert, dann hat der berufliche Journalismus ein Problem, denn eigentlich hat er nur einen anderen Anspruch aber auch die gleichen Werte, und er braucht Geld. Vielleicht ergibt das ja wieder mehr Qualität, denn Lautstärke gibt es dann ja gratis bei der HuffPo Schland. Die HuffPo ist digitalisierte Beliebigkeit. Quasi ein Nachrichten-Facebook.

Kanzlerduell. Es kam, wie es kommen musste.

Es wurde als großes mediales Ereignis aufgebaut.
Die einen zeigten zur Einstimmung politische Dumpfbacken, weil sie das immer tun, die anderen Gunther Jauch mit seiner Weichspülrethorik, weil sie das auch immer tun, diesmal mit dramatisch inszenierter Stoppuhr im Hintergrund. Ich wollte schon den Sekt holen, damit ich um Mitternacht anstoßen kann.

Dann ging es los. Irgendwie hatte ich jetzt die Eurovisionsfanfare erwartet, wurde aber enttäuscht.
Bei der Enttäuschung, blieb es dann auch.

Nein eigentlich waren nicht die Kandidaten daran schuld. Steinbrück, wie immer rhetorisch gut, witzig, charmant, intelligent, aber letztlich inhaltsarm und floskelreich.
Ja, ich kann mir Steinbrück in der Rolle als Bundeskanzler vorstellen. In der Funktion weniger.
Eher kann ich mir Merkel in der Funktion als Bundeskanzler weiterhin vorstellen. Sie ist der Typ der tapfer entschlossen werkelt aber dabei schwunglos und etwas bieder wirkt. Die Rolle des strahlenden und starken „Hier bin ick, jetzt könnt ihr mir genießen“-Typs, die klaut ihr der Steinbrück.

Das wussten wir vorher, so sind die beiden. Das hätte auch die versammelte Talkshow-Moderatoren- und Nachrichten-Wiedergeber-Elite der angetretenen Qualitätsjournalisten ahnen können. Sie hatten die Chance aus dem herauszukommen, was wir von den Kandidaten schon wussten. Sie hatten die Chance nicht altbekannte Ausschnitte aus dem gefälligem Wahlkampfsprech ab zu rufen, sondern Themen zu setzen. Sie hatten die Chance durch Fragen nach der Substanz des Gesagten in der Überzeugung der Kandidaten zu suchen.

Mich hätte z. B. interessiert, was die immer von allen beschworene „soziale Gerechtigkeit“ eigentlich ist. Ich hätte gerne gewusst, ob die Kandidaten wissen, was in einem Jobcenter wirklich passiert, wie hier durch Seelenlosigkeit und Verwaltungsdenken der Mensch entwürdigt wird.

Nein, das Kanzlerduell war eine verschenkte Chance.
Die Elitejournalisten haben brav die tagesaktuellen, immer gleichen Themen abgefragt und die tagesaktuellen immer gleichen Antworten erhalten. Es wurden keine Themen gesetzt, es wurde nicht der Mensch gezeigt, sondern der Kandidat.
Das war ein Vorteil für Steinbrück, der seine Rolle gut spielt, ein Nachteil für Merkel, die ab und an menschlich wirkte.

Was in Erinnerung bleiben wird ist Merkels Halskette. Die Deutschlandkette ist geboren.
Sagt das nicht schon alles über das Duell?

Springer hat klug verkauft und klug behalten

Warum hat Springer seine regional verwurzelten Standbeine verkauft? Die taz meint die Antwort zu kennen, aber sie schaut zurück, nicht nach vorne, sie sieht die Welt aus ihrer Sicht, nicht aus der Sicht eines großen Verlagshauses. Die taz ist und bleibt Meinungs- und Weltanschauungsblatt, sie ist keine bedeutende Zeitung, Deshalb irrt der Autor.

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Jeder ist sich selbst der Nächste, oder so.

Sascha Lobo ist immer für eine kluge Einsicht, ein strukturell gedachtes Aha-Erlebnis gut.
Ein solches Erlebnis vermittelt er heute wieder. Diesmal im Blog von Stefan Niggemeier:

Zeitungskrise? »Die Lösung bin ich!«

Es geht um die Zeitungsdebatte, die Frage der Zukunft für Zeitungen und Journalismus.

Seine Erkenntnis:

Jeder einzelne bisherige Teilnehmer der Debatte empfiehlt als Lösung der Zeitungskrise letztlich: sich selbst.

Unbedingt lesenswert, für den Interessierten geradezu Pflichtlektüre.!

Der Brief, den Matthias Matussek nie lesen wird

Lieber Herr Matussek,

Sie lesen mein Blog sowenig wie andere es tun, trotzdem schreibe ich Ihnen hier mal.

Seit es Fernsehshows gibt leben sie von der Selbstdarstellung ihrer Showmaster. Das war schon bei Peter Frankenfeld und Hans-Joachim „Kuli“ Kulenkampff so. Daran hat sich auch bis heute nichts geändert, auch bei Herrn Krömer ist es so.

Sie mögen jetzt „ja, aber!“ rufen, und Sie haben Recht.
Frankenfeld, Kuli und Kollegen waren charmant , witzig, sie flirteten auf eine angenehme Weise mit den Kandidaten. Man merkte, dass sie Freude daran hatten. Sie stellten sich selbst aus, wie auch Herr Krömer es tut. Nur hat sich das Fernsehen verändert. Intelligenter Charme ist selten geworden.

Ich vermute, dass dies auch Ihnen schon aufgefallen sein könnte.

„Der Brief, den Matthias Matussek nie lesen wird“ weiterlesen

Wo leben wir eigentlich? Springerstiefel im Qualitätsjournalismus?

Man kann Israel mögen, oder auch nicht, aber es gibt Grenzen dessen, was erträglich ist.
Der Blick auf die Springerstiefel an den Füßen glatzköpfiger Dumpfbacken verhindert, dass wir nach oben sehen, wo sich der reale und viel gefährlichere Antisemitismus aufbaut.

Der Antisemitismus, der den SA-Imitatoren den gesellschaftlichen und intellektuellen Überbau verschafft, der erst Macht ermöglicht.

Hier ein paar Artikel, die aufzeigen wie:

“Israelische Produkte – Nein danke!” Früher: „Kauft nicht bei Juden“

Die Süddeutsche macht den Stürmer!
Dazu von den verfolgten Unschuldigen, die Frage ob es denn antisemitisch seimIsreal als gehörntes Monster darzustellen. Hier
. Bild zum Thema.

Gleichzeitig entdecken wir den Gutmenschen im Islamisten, wo Betroffene vor Ort anfangen die Probleme zu benennen. Hier lesen.

Es gäbe viel mehr Beispiele, wie wir anfangen den Blickwinkel zu wechseln. Aber mir reicht das.
Ich sehe einen schleichenden Nazifizierungsprozess bei intellektuellen Meinungsführern.
Meine besondere Zuneigung zu Jakob Augstein, den ich hier in einer echten Meinungführerschaft sehe, ist eventuell schon aufgefallen.