Lieber Chef,
in den zurückliegenden Jahren ist es in unserem Unternehmen gelungen durch strukturbildende Maßnahmen wesentliche Fortschritte in der Gestaltung der Arbeit zu erreichen.
Durch klare Vorgaben, die mit Hilfe von Anweisungslisten umgesetzt wurden, durch eine präzise Erfassung der produktionsrelevanten Daten durch die Verantwortlichen, ist es gelungen ein klares Enstscheidungs- und Strukturkonzept zu erreichen, das es dem einzelnen Mitarbeiter ermöglicht sich auf wesentliche Kontroll- und Überwachungsfunktionen zu konzentrieren.
Von eigenen Entscheidungen, von eigener Verantwortlichkeit sind die Mitarbeiter so weitgehend befreit und können sich auf die Erfüllung der Vorgaben der Leitungsebene voll konzentrieren.
In Problemlagen ist durch ein effektives telefonisches Rückrufkonzept in die Leitungsebene auch dafür gesorgt, dass diese kritischen Situationen dem einzelnen Mitarbeiter nicht entgleiten können, das er hier nicht die Last der Verantwortung und eigenen Entscheidung zu tragen hat. Dadurch ist er von psychologischen Belastungen befreit und kann seine zugewiesenen Aufgaben leichter erfüllen.
Dieses Vorgehen ist in unserer Firma bereits weitgehend vollkommen umgesetzt, durch die Schaffung der zentralen Koordinationsstelle (ZK), als einen ersten Schritt, wird es gelingen dieses Prinzip auch auf die bisher als Profitcenter betriebenen Bereiche zu erweitern, so dass auch hier die Chance einer zentral koordinierten und damit besseren und effektiver gestalteten Berichterstattung in die Leitungsebene ermöglicht wird.
Ich glaube fest daran, dass es uns gelingen wird durch dieses System die angestrebten Ziele innerhalb der nächsten Jahre zu erreichen und so nicht nur die regionalen Mitbewerber, sondern auch bald die internationale Konkurrenz zu überholen.
Leider zeigt sich aber immer wieder, dass trotz der dauernd verbesserten Organisation, der intensivierten Strukturierung, der Schaffung klarer Entscheidungswege, noch immer einzelne Ziele nicht erreicht, Vorgaben nicht immer erfüllt werden können.
Ich schlage daher eine weitere Maßnahme vor, die uns helfen kann Fehler zu vermeiden und Ursachen zu erkennen.
Die MitarbeiterInnen der einzelnen Arbeitsgruppen haben nach meiner Einschätzung durchaus noch soviel Kapazität in ihrer Arbeitszeit, dass sie hier eine wertvolle Unterstützung leisten können.
Dazu schlage ich vor, dass sie ein intensiveres Controlling übernehmen und im Interesse aller Abteilungen helfen Schwachstellen im Arbeitsprozess zu erkennen.
Dies könnte z.B. dadurch geschehen, dass sie auftretende Fehler (z.B. versehentiche oder strukturbedingte Abweichungen von den Vorgaben) notieren.
Um den Eindruck zu vermeiden, dass dies ein Anschwärzen ist sollten diese Notizen nicht an den unmittelbaren Vorgesetzten gehen, sondern an eine zentrale Stabsstelle, die dann unvoreingenommen eine Auswertung vornehmen kann und Verbesserungsmaßnahmen anregen kann.
Durch die klaren Arbeitsstrukturen, ist dann auch jederzeit klar welcher Mitarbeiter für den Fehler zuständig ist. Dadurch lässt sich diesem Mitarbeiter Unterstützung gewähren.
Dies könnte etwa dadurch geschehen, dass er sporadisch zu Gesprächen eingeladen wird, um systematische Fehler, die in der Regel nicht im Mitarbeiter begründet sind mit ihm zu klären. Natürlich können dann auch persönliche Probleme am Arbeitsplatz angesprochen und geregelt werden.
Zur Sicherheit für die Beteiligten sind diese Rücksprachen dann zu protokollieren, und beim Leiter der zu bildenden Stabsabteilung zu archivieren.
Die Ergebnisse dieser Personalförderungsmaßnahmen bleiben natürlich außerhalb der Stabsstelle anonym und die verantwortlichen Bereichsleiter erhalten Hinweise darauf, wie sie die Möglichkeiten ihrer Mitarbeiter besser zu deren Zufriedenheit fördern können.
Ergänzend sind natürlich auch Hinweise aus dem Kollegenkreis an die Stabsstelle sinnvoll, die auf Probleme hinweisen. Zum Schutz der Mitarbeiter, die sich durch besonders sachdienliche Einzelhinweise auszeichnen, sollten Namen auch in solchen Fällen nicht bekannt werden. Auch ließen sich Einzelvereinbarungen mit besonders verdienten Kollegen schaffen, um so die Richtigkeit der in den normalen Gesprächen festgestellten Schwachstellen zu überprüfen. Als Anerkennung schlage ich für diese Kollegen kleine Privilegien vor.
Nach Abschluss einer Pilotphase könnte dann dieses System auf das ganze Unternehmen erweitert werden, damit nicht nur bestimmte Bereiche, die Verwaltung und die Leitungsebenen in den Vorzug der verbesserten Struktur kommen.
Damit wäre dann ein besseres Produkt, dass für den Kunden mehr „aus einem Guss“ wäre, mit klarerem Nutzen und verbesserter Qualität möglich.
Wenn sich das System in unserem Unternehmen bewährt, dann sollten wir die politische Aufgabe angehen, um es auch auf die Bereiche der staatlichen Verwaltung und Justiz zu erweitern. Hierbei könnten uns die Möglicheiten eines frei agierenden Großunternehmens mit erheblichem wirtschaftlichen Einfuss helfen.
Um Menschen wie mir eine Perspektive für die Zukunft zu geben, und um Unruhe in den Abläufen durch deren Unzufriedenheit und Unzulänglichkeit zu vermeiden, könnten diese Personen auf andere Dienstbereiche in der Fahrbereitschaft oder im Empfangsdienst versetzt werden.
Wenn unsere gesellschaftlichen Ziele dann erreicht sind, sollten wir diesen Elementen die Möglichkeit geben sich in staatlichen Einrichtungen zu erholen, oder gegen Leistung eines Ersatzes für den angerichteten Schaden das Land zu verlassen.
Ich stelle daher schon heute vorsorglich meinen Antrag auf Ausreise, hilfsweise auf Vorruhestand.
Herzliche Grüße
I. M. Stasinov
Es gehört heute wohl zu den Leeren des modernen Managements und der modernen Mitarbeiterführung das Begeistern für gemeinsame Ziele durch Listen von Anweisungen mit Verhaltensregeln zu ersetzen.
Anm. Der Redaktion:
Ähnlichkeiten mit realen Zuständen sind zufällig und nicht gewollt. Eigene Erfahrungen sind nicht Grundlage des Geschriebenen.