Es gibt Tage, an denen tun mache Dinge besonders weh.
Da ist er der Chef der auflagenstärksten Zeitung in Deutschland. Es ist wahrscheinlich die am professionellsten gemachte Zeitung. Man kann sie abonnieren, aber eigentlich kauft man sie am Kiosk. Die Kunden sagen am Kiosk die peinlichen Worte „Einmal Bild bitte“.
Aber es gelingt dieses Wunder jeden Tag zu wiederholen.
Jeden Tag über drei Millionen mal.
Das ist toll, das macht Mut, das macht ihm keiner nach.
Trotzdem er ist unzufrieden, er braucht einen echten Sieg über alle die seine Arbeit verhöhnen. Sie sollen lernen welche Macht er hat.
Es ist also nicht alles rosig, der Mann hat Probleme.
Die erfolgreichste Zeitung der Republik, ja aber solange er die Zeitung führt geht die Auflage nach unten.
Keiner nimmt seine Zeitung ernst, sie ist das Enfant terrible für alle seriösen Männer und Frauen der Zunft.
Busen und billige Skandale gelten als ihr Markenzeichen.
Das kann einen echten Mann mit Ehrgeiz und im vollem Bewusstsein der eigenen Bedeutung nicht befriedigen.
Es muss wohl Anfang Dezember gewesen sein, der Tag fing schon schlecht an. Es stört ihn nicht jeden Tag, aber manchmal tut es eben doch weh. Er muss von hinten in sein großes Verlagshaus fahren. Über die „Rudi-Dutschke-Straße“, das geht gar nicht, nicht an Tagen an denen die Stimmung ohnehin schon tief hängt.
Es muss so ein Tag gewesen sein, an dem er auf dem Weg zur Arbeit vielleicht doch die falsche Straße fuhr, der Fahrer war vielleicht neu.
Er fuhr vielleicht an der TAZ vorbei, die ihn doch in einer Satire so bitter beleidigt hatte, obwohl er sich in einem Che Guevara T-Shirt dort gezeigt hat.
Auch vor Gericht hatte es dann nicht geklappt. Das Berliner Landgericht sagt, dass Diekmann als Chefredakteur der Bildzeitung „bewusst seinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Persönlichkeitsrechtsverletzung Anderer sucht“ , und weist die Klage seiner getroffenen Seele zurück.
Quelle Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Kai_Diekmann
Das sind Tage an denen der Schmerz zu tief sitzt, aber ein kleines Vergnügen gibt es an jedem Morgen. Den Aufzug.
Da kann man sich, wenn man bei der Bildzeitung arbeitet, immer daran erinnern, dass wer mit dem Aufzug nach oben fährt auch wieder mit ihm nach unten fahren muss.
Was also könnte die Stimmung heben? Nur mit guter Stimmung, nur mit gesundem, unbeschädigtem Machtbewusstsein kann man die Bildzeitung machen.
Wahrscheinlich war das so eine Gefühlslage, wie sie auch George Bush II. hatte, als er sich entschloss ein Zeichen zu setzen, seine Allmacht zu beweisen.
Das Blöde ist, man kann mit der Bildzeitung nirgends einmarschieren, man kann keine Soldaten schicken, man muss seine Kriege anders führen.
Die Kriege der Bildzeitung beginnen im Aufzug, deshalb muss ein guter Tag auch damit beginnen. Es ist die Gelegenheit sich Gegner zu suchen,
… mit wem ist man denn hier so gefahren?
Wer hat danach richtig Karriere gemacht?
Wer ist ein würdiger Gegner?
Nein, die Sternchen, die ganzen Politiker sind eigentlich unwürdig eines solchen Krieges. Krieg führt man nicht gegen Personen, sondern gegen Symbole und Völker.
Berlusconi? Verbraucht und abgesetzt, geht nicht. Auch zu unwichtig in Deutschland.
Nein, der würdigste Gegner ist Deutschland, ist das Deutsche Volk.
Dem die eigene Macht zu zeigen, das Volk und den Staat am Nasenring durch die Manege zu führen, das ist eine würdige Aufgabe.
Nun auch die Bildzeitung kann nicht Krieg gegen das eigene Volk, gegen die eigenen Leser führen, aber gegen die Art wie die Deutschen sind, verkörpert durch ihre Symbole. Gegen die Symbole des Staates, da wo sie sind wie seine Bürger.
Da kommt dann die Erinnerung an Mitfahrer.
Es gab da einen gewissen Herrn Wulff.
Der Herr Wulff ist deutsch, er ist ein typischer deutscher Bürger.
Ein bisschen Karriere, ein bisschen verführbar durch die Welt der Schönen und Reichen, das sind ja die, die Herrn Diekmanns Zeitung nicht so richtig ernst nehmen wollen, ein bisschen blauäugig, ein Deutscher Michel.
Zum Glück hat dieser Herr Wulff Karriere gemacht. Er ist nicht nur die beschriebene Person, er ist auch der Repräsentant aller dieser Michels, er ist Bundespräsident.
Er ist faktisch und formal Repräsentant und Schablone des Deutschen Bürgers. Ein angemessener Gegner.
Nun, Herr Diekmann ist kein Dummkopf. Im Gegenteil, er ist hochintelligent, ein Meister in seinem Metier (man sieht es geht auch ohne akademischen Abschluss), ein brillanter Taktiker und wohl auch kein schlechter Stratege.
Ein Dummkopf kommt nicht in die Chefetage des Springer Verlages.
Intelligenz ist erforderlich, ein journalistischer Killerinstink, Selbstbeherrschung und die Fähigkeit moralische Maßstäbe auch einmal etwas weiter zu sehen.
Jetzt haben wir also alles was es braucht:
Das antreibende Frustpotential des Journalisten.
Den geeigneten Gegner.
Das Machtmittel Bild, sie ist die Kampftruppe in der Schlacht.
Die Schauplätze werden sein:
Kleinbürgerlicher Neid auf den Erfolg Anderer.
Dummheit, Eitelkeit und Unwissenheit.
Korrumpierbarkeit durch die Gewährung von Aufmerksamkeit.
Die Anerkennung durch falsche Freunde.
Wie führt man einen solchen Pressekrieg?
Durch lautes Rufen?
Durch eine harte Recherche?
Durch das Auflisten von Fakten und das Herausposaunen der Wahrheit?
Nein, das wäre dumm.
Die Bildzeitung ist edel. Die Anderen sollen mit Schmutz werfen und sich die Hände auch ordentlich schmutzig machen. Wer selbst bis zum Hals in der Jauche steht, der kann nicht einmal die Bildzeitung später mit Schmutz bewerfen.
Wenn man gemeinsam in der Jauche steht, dann muss man sie als Honig definieren, sonst kommt man da nicht wieder heraus.
So wird dann die Bildzeitung zur Bienenkönigin des deutschen Qualitätsjournalismus.
Wie macht man das? Die Sache klingt einfach, braucht aber eine gute Idee.
Da wir den Gegner schon haben brauchen wir nur noch den gut dosierten Schmutz.
Der Schmutz ist das Problem. Er darf nicht so hart sein, dass er den Getroffenen vernichtet, dann wäre es letztlich eine Eintagsfliege. Er muss aber so hart sein, dass er weh tut und eine Erschütterung erreicht, aber er muss auch so leicht sein, dass die anderen Medien ihn einfach aufnehmen können, ohne dass es einer Anstrengung bedarf.
Lügen vor dem Landtag und eine Kreditaffaire des Bundespräsidenten sind ideal. Nicht ausrecherchiert, nicht journalistisch sauber. Das hätte nur Nachteile. Der Sinn des Krieges liegt in der Lust an der Schlacht, manchmal in der Lust am Machtgefühl beim Nachtreten, ebenso wie in der Lust des Zuschauers beim Todeskampf eines Anderen.
Also gibt es ein Häppchen, nicht mehr. Eine ausrecherchierte Geschichte wäre dumm. Sie würde den Qualitätsjournalismus der anderen beleidigen wenn sie von der Bildzeitung kommt.
Wie sollten sie darauf einsteigen, ohne dass sie Eigenes dazu beitragen könnten, einfach die Bildzeitung zitieren?
Der Spiegel, die Süddeutsche, die TAZ hängen sich einfach an die Bild, einfach so? Das geht nicht, niemals wollten sie freiwillig erkennbar auf das Niveau gehen.
Also gibt man ihnen das Häppchen, den Köder, den Katalysator.
Sie müssen ihn aufnehmen, aber sie haben die Chance ihn zu erweitern, zu ergänzen, durch eigene Recherchen und fundierte Information zu glänzen.
Das ist der geniale Trick, jeder der die Meldung übernimmt muss ergänzen, einfach die Bildzeitung zitieren? Nie, nicht ums Verrecken.
Also wird brav die Bildzeitung zitiert, gelobt und Eigenes ergänzt. So ist die Bildzeitung im ganzen Qualitätsjournalismus lobend als recherchierendes Enthüllungsblatt erwähnt, und der Skandal trägt so die Bildzeitung und sich selbst.
Da eben jeder der berichtet etwas Eigenes enthüllen will, sich mit eigenen wichtigen Fragen und Zweifeln qualifizieren muss, sitzen bald alle in einer peinlichen Jauchegrube, zusammen mit der Bildzeitung.
Aber sie merken es nicht.
Diekmann als Profi und genialer Taktiker weiß, dass auch eine solche Skandalgeschichte nicht ewig trägt, also heißt es sich rechtzeitig für eine zweite Runde zu rüsten, eine zweite Runde, die dann wieder die Bildzeitung nach ganz oben bringt.
Und schon bevor die eigentliche Kampagne begonnen wurde liefert ihm der brave deutsche Bürger Wulff die Munition.
Er ruft Herrn Diekmann vertrauensselig an, er sagt ihm was er denkt, er vertraut ihm. Man kennt sich doch, man ist doch durch gemeinsame Aufzugsfahrten verbunden. Vielleicht duzten sich die Beteiligten sogar?
Ein dummer Fehler. Dumm weil es ein menschlicher Fehler ist.
Menschlichkeit kommt in einer Pressekampagne nicht vor. Eine solche Kampagne braucht keine Absprachen, sie ist der perfekte Selbstläufer.
Und wieder zeigt sich die Klasse des Herrn Diekmann wenn es darum geht, dieses goldene Pikass in der Kampagne genial zu verwenden.
Eine solche Trumpfkarte wie den Anruf des Bürgers Wulff wirft man nicht einfach auf den Tisch, nicht wenn man sie bekommt, nicht wenn man sie braucht, weil die Affaire abebbt.
Ein solches vertrauliches, persönliches Gespräch zu veröffentlichen ist unehrenhaft, so dumm ist Herr Diekmann nicht, wo er die Bildzeitung doch gerade in die Hallen des Qualitätsjournalismus aufgenommen sieht.
Nein, dafür gibt es gierige und dümmere Kollegen. Natürlich in den Reihen des anerkannten Qualitätsjournalismus.
Denen wirft man den Brocken hin, besser man gibt ihnen die Chance den Brocken dann selbst zu enthüllen, wenn die Bildzeitung es braucht.
Schon stecken sie noch tiefer in der Jauche als die Bildzeitung, die sich natürlich ziert, die so etwas nicht tut.
Genial Herr Diekmann, einfach genial.
So brilliant hat wohl noch niemand in Deutschland das Volk, den Präsidenten, die kleingeistigen aber geltungssüchtigen Politiker und die gesamte Qualitätspresse am Nasenring durch die Manege geführt.
Das ist wirklich die Krone des Bildzeitungsjournalismus.
Sie haben den Krieg gewonnen.
Den Krieg gegen die Moral des anständigen Bürgers.
Den Krieg gegen die seriöse Berichterstattung anerkannter Medien, die Sie auf das Niveau der Bildzeitung reduziert haben.
Den Krieg gegen den Wert der politischen Ordnung und ihrer Repräsentanten.
Den Krieg gegen den Rest an Anständigkeit, der für ein funktionierendes Gemeinwesen erforderlich ist.
Aber Sie sollten sich nicht zu früh freuen. Hochmut kommt vor dem Fall.
Langsam fangen die Anderen an zu merken, was Sie mit ihnen gemacht haben, wie Sie sie missbraucht haben.
Die TAZ versucht mit Fragen an Sie ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Von Ihnen bekommt sie darauf Hohn und Spott als Antwort zurück.
Schade, das erste Mal, dass Sie die Beherrschung in der Affaire verloren haben, das ist deutlich unter Niveau.
Jetzt nicht aus Eitelkeit schwächeln!
Die TAZ hat ihn verdient, den Hohn, den Spott. Auch die TAZ ist Ihnen auf den Leim gegangen. Aber auch die Anderen werden es merken. Dann haben Sie zwar einen Sieg errungen, sich aber Feinde gemacht.
Auch die Politiker werden begreifen, dass sie bei Ihnen mitgespielt haben, sie von Ihnen missbraucht wurden, dass es reiner Zufall oder eine Frage der Zeit ist bis sie selber „dran“ sind.
Der Bundespräsident fragte ob Sie denn wirklich Krieg wollten.
Ja, ich denke dass Sie ihn wollten. Sie haben ihn schnell gewonnen, scheinbar.
Sie haben Allianzen erzeugt, die niemand für möglich hielt, aber Sie haben sie gemacht, nicht geschlossen.
Die missbrauchten Freunde werden zu Gegnern oder Feinden, und sie werden neue Allianzen schmieden. Nicht mit der Bildzeitung, weil sie erkennen werden, dass sie einen gemeinsamen Schuldigen für das eigene peinliche Versagen brauchen.
Übrigens, der Herr Wulff war nicht alleine im Aufzug, der Spruch gilt für alle die ihn benutzen. Nur daran denken die meisten nicht.